Die Bundesregierung hat mit dem Entwurf eines „Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes (TMG)“ die gesetzlichen Vorschriften nachgebessert, um die Potenziale von lokalen Netzwerken (Wireless Local Area Network – WLAN) als Zugang zum Internet im öffentlichen Raum besser zu nutzen und dem Vorwurf eines „digitalen Entwicklungslandes“ entgegenzutreten. Aber ist die Neuregelung auch praxistauglich? Dies verrät ein Blick auf die Details.
Die Entwicklung des WLAN-Gesetzes
Bereits das „Zweite Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes“ sollte den WLAN-Betreibern Rechtssicherheit geben, nicht für Rechtsverstöße Dritter abgemahnt zu werden. Eine anschließende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) machte jedoch die erneute Anpassung des TMG notwendig, da dieses die Möglichkeit einer gerichtlichen oder behördlichen Unterlassungsanordnung vorsah, die dem WLAN-Betreiber zur Vorbeugung wiederholter Rechtsverletzungen einen passwortgeschützten Zugang oder ein vorgelagertes Identifikationsverfahren hätte aufgeben können. Dieses stand im Widerspruch zum Ziel, Prüf- oder Verschlüsselungspflichten des WLAN-Betreibers wegfallen zu lassen.
Was ändert sich?
Wichtigste Änderung ist die Abschaffung der Störerhaftung und die damit einhergehende Regelung des § 7 Abs. 4 TMG n.F., welche vorsieht, dass der vermeintliche Rechteinhaber gegenüber dem WLAN-Betreiber keine vor- oder außergerichtlichen Kosten für die Durchsetzung seines Anspruchs geltend machen kann. Als Konsequenz aus der Entscheidung des EuGH wurde zudem in § 8 Abs. 4 TMG n.F. eine Regelung geschaffen, die ausdrücklich eine Verpflichtung durch die Behörde zu einem Identifizierungsverfahren oder einer Zugangsverschlüsselung ausschließt.
Störerhaftung light?
Zusammen mit der Abschaffung der Störerhaftung wurde jedoch eine neue Hürde aufgestellt: § 7 Abs. 4 TMG n.F. sieht nunmehr die Möglichkeit vor, dass der Rechteinhaber einen WLAN-Betreiber zu der Einrichtung einer Zugangssperrung zu dem rechtsverletzenden Inhalt auffordern kann, sofern zur Verhinderung einer Wiederholung keine andere Möglichkeit der Abhilfe besteht und die Sperre zumutbar und verhältnismäßig wäre. Diese Regelung führt nicht nur zu einem vermehrten Aufwand für WLAN-Betreiber, sondern vor allem zu Rechtsunsicherheit. Dem WLAN-Betreiber entstehen im Rahmen des Sperrungsverlangens zwar keine Kosten. Sollte dieser einem (berechtigten) Sperrungsverlangen jedoch nicht nachkommen, besteht spätestens in einem gerichtlichen Verfahren ein Kostenrisiko. Infolgedessen könnte die Sperrungsmöglichkeit eine „Störerhaftung light“ bedeuten und zur Folge haben, dass zur Konfliktvermeidung auch unberechtigtes Sperrungsverlangen befolgt wird. Ein solches „Overblocking“ würde letztlich dem Gesetzeszweck der Öffnung des Internets zuwiderlaufen.
Weiterhin ist unklar, ob die Haftungsprivilegierung des § 7 Abs. 4 TMG n.F. auch die Nutzung von sogenannten dezentral organisierten Netzwerken umfasst. Die Regelung spricht von einer Verletzung des Rechts am geistigen Eigentum bei der Inanspruchnahme eines Telemediendienstes durch den Nutzer. Dezentral organisierte Netzwerke sind jedoch z.B. Tauschbörsen, bei denen die Möglichkeit des Zugriffs auf die Dateien direkt zwischen den einzelnen Nutzern des Netzwerks erfolgt. Jeder Netzwerkteilnehmer ist somit zugleich Anbieter und Nutzer, womit bei einer restriktiven Auslegung kein Telemediendienst genutzt würde. Die bekannten Abmahnansprüche würden hierbei weiterhin bestehen bleiben.
Auch dürfte der Rechtsanspruch der Sperrung gegenüber Plattformen wie YouTube und Facebook diskutiert werden. Besteht ein Rechtsanspruch auf Zugangssperrung der gesamten Plattform, auch wenn sich nur einzelne verletzende Inhalte auf der Plattform befinden, eine alleinige Sperrung dieser Inhalte technisch jedoch nicht möglich ist? In solchen Fällen wird § 7 Abs. 4 TMG n.F. wohl dahingehend aufgefasst werden müssen, dass ein Rückgriffsanspruch auf den WLAN-Betreiber aufgrund von Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen ist, sofern eine Rechtsdurchsetzung auch gegen den primären Störer über die (für Plattformbetreiber) weiterhin geltende Störerhaftung erfolgen kann.
Ja oder nein zum Betrieb von öffentlichem WLAN?
Durch die Änderung des TMG müssen sich WLAN-Betreiber durch den Wegfall eines unmittelbaren Kostenrisikos bei Abmahnungen zukünftig tatsächlich weniger Sorgen machen. Der Gesetzgeber hat jedoch im Gegenzug durch die Einführung eines Sperrungsanspruchs eine unzureichend ausgestaltete Hürde geschaffen, die neue Rechtsunsicherheit mit sich bringt, sofern sich nicht jeglichem Sperrungsverlangen gebeugt wird. Die Gerichte werden nunmehr die Aufgabe übernehmen müssen, weitere rechtliche Rahmenbedingungen für das Betreiben von öffentlichem WLAN auszugestalten. Bis dahin empfiehlt es sich, mit dem Betrieb eines öffentlichen WLAN zu warten.