Erfolgreich verhandeln

Rhetorik ist ein essenzielles Werkzeug, gelungene Gesprächsführung ein Instrument und effektive Verhandlungsmethoden ein Muss – doch wie funktioniert gutes Verhandeln überhaupt? In seinem 2025 erschienenen Buch Erfolgreich verhandeln beschäftigt sich Prof. Dr. Jörg Kupjetz mit genau dieser Frage.

Verhandlungen gehören zum beruflichen Alltag von Juristinnen und Juristen, Führungskräften und Selbstständigen – dennoch scheitern sie nicht unbedingt an harten Fakten, ausgedrückt in Zahlen und Bedingungen, sondern an der Kommunikation zwischen den verhandelnden Parteien. Genau an diesem Punkt setzt Erfolgreich verhandeln von Prof. Dr. Kupjetz an: Er verbindet Verhandlungstheorie mit den Grundlagen der Kommunikationspraxis und schafft so ein praxisnahes Handbuch, das zugleich fundierte theoretische Einblicke bietet.

Im Zentrum steht die These, dass erfolgreiche Verhandlungsführung stets Kommunikation in ihrer ganzen Komplexität berücksichtigt. Kupjetz greift dabei auf etablierte Modelle zurück, vom Sender-Empfänger-Modell über das Eisbergmodell bis hin zum Vier-Ohren-Modell, und überträgt diese auf die Verhandlungspraxis. Was zunächst theoretisch klingt, wird durch Fallbeispiele greifbar: Störungen in der Kommunikation, Missverständnisse auf der Beziehungsebene oder die unterschiedliche „Hörweise“ des Gegenübers können den Ausgang einer Verhandlung stärker prägen als sachliche Argumente.  

Auch der sog. prozessuale Zugriff nimmt eine zentrale Rolle ein: Gute Ergebnisse sind Ergebnis guter Vorbereitung. Kupjetz empfiehlt, schon vor dem ersten Termin verbindliche Spielregeln zu vereinbaren: Wer spricht wofür, wer entscheidet, wer vertritt wen bei Abwesenheiten, welches Kommunikationsmedium wird genutzt und wer protokolliert? Wann gibt es Pausen, wie viele Termine sind vorgesehen und welche Zeitschiene führt zur Unterschrift? Ein scheinbar banaler, in der Praxis aber wirksamer Punkt: Die Handys bleiben aus; Kommunikationsfenster werden in Pausen gelegt. Diese Disziplin verhindert viele jener Eskalationen, die der Autor aus eigener Praxis schildert.

Erfolgreich verhandeln: Der praktische Teil

Nach der theoretischen Grundlegung folgt der praktische Teil, der sich dem strukturierten Vorgehen vor und während einer Verhandlung widmet. Kupjetz zeigt etwa, dass zu einer sorgfältigen Vorbereitung neben der Definition klarer Ziele auch die Analyse des Verhandlungspartners gehört. In der Durchführung rät er, den berühmten „Anker“ zu setzen, also frühzeitig einen Bezugsrahmen zu etablieren (der sog. Ankereffekt). Ein anderer Schwerpunkt liegt auf der Informationssteuerung: Wer Informationen teilt, dosiert oder bewusst zurückhält, gestaltet den Prozess aktiv. Gleichzeitig warnt der Rechtsanwalt davor, die nonverbale Dimension zu unterschätzen – entscheidende Signale liegen oftmals unterhalb der sichtbaren „Wasserlinie“.

In der „Toolbox“ des Buches finden sich konkrete Werkzeuge mit verschiedenen Zielsetzungen, die etwa Verhandlungen voranbringen, eine konstruktive Atmosphäre schaffen oder manipulative Taktiken sichtbar machen. Hier werden etwa Instrumente wie das Übersetzen von Inhalten in die Welt des anderen, die Visualisierung von Ergebnissen, aktives Zuhören oder der gezielte Einsatz von Schweigen sowie der sachliche Abbruch einer Verhandlung behandelt. Kupjetz beschreibt zudem typische „negative Tools“ wie die sog. Salamitaktik (Verhandlungsmethode, bei der eine Partei ihre Forderungen nicht auf einmal offenlegt, sondern Stück für Stück präsentiert – wie dünne Scheiben einer Salami. Dadurch wirken die einzelnen Forderungen jeweils kleiner und weniger bedrohlich, summieren sich am Ende aber zu einem erheblichen Gesamtpaket. Das bewusste Ausklammern von Themen oder das Verhandeln „durch die Blume“ und gibt Hinweise, wie man diesen wirkungsvoll begegnet. Denn: Wer Spielregeln, Agenda, Zeit und Rollen aktiv gestaltet, wer sauber vorbereitet und bewusst kommuniziert, erhöht die Abschlusswahrscheinlichkeit und schützt zugleich die Beziehung.

Mit Erfolgreich verhandeln entstand ein praxisorientiertes Werk, das Kommunikationspsychologie, Verhandlungsstrategie und langjährige Praxiserfahrung verbindet und nicht nur greifbare Instrumente liefert, sondern auch Denkanstöße, wie wir Verhandlungen künftig weniger als Machtkampf, sondern als strukturierten Kommunikationsprozess begreifen können.

Neben denen im Buch aufgearbeiteten Methoden gibt es eine Vielzahl weiterer Verhandlungsmodelle und -techniken. Die wichtigsten möchten wir abschließend im Überblick nun vorstellen:

Das Harvard-Konzept

Dieses Konzept gilt bis heute als einer der bedeutendsten Ansätze für erfolgreiche Verhandlungen. Entwickelt wurde es am Harvard Negotiation Project, mit dem Ziel, Konflikte nicht durch bloße Machtausübung oder starres Festhalten an Positionen zu lösen, sondern durch ein faires, rationales und interessenorientiertes Vorgehen. Im Zentrum steht die klare Trennung von Sachebene und Beziehungsebene: Persönliche Differenzen oder Emotionen sollen nicht das eigentliche Problem überlagern. Stattdessen rücken die dahinterliegenden Interessen und Bedürfnisse in den Fokus.

Wer beispielsweise nicht allein über eine bestimmte Zahl verhandelt, sondern erkennt, dass die eigentliche Motivation die Absicherung gegen steigende Preise oder die Gewährleistung langfristiger Planungssicherheit ist, öffnet den Raum für kreative(re) Lösungsansätze. So können etwa Preisgleitklauseln, flexible Vertragslaufzeiten oder Mengenrabatte entwickelt werden, die beiden Seiten Vorteile bieten. Ein weiterer Eckpfeiler des Harvard-Konzepts ist die Orientierung an objektiven Kriterien. Indem sich die Parteien an Marktstandards, rechtlichen Rahmenbedingungen oder anerkannten Branchenbenchmarks orientieren, wird das Ergebnis legitimiert und für beide Seiten leichter akzeptabel. Gerade in juristischen und wirtschaftlichen Kontexten ist dieser Ansatz besonders wirksam, da er Konflikte nicht eskaliert, sondern idealerweise strukturiert auflöst.

BATNA-Strategie

Die BATNA-Strategie ist eng mit dem Harvard-Konzept verbunden, aber auch unabhängig davon ein zentrales Instrument professioneller Verhandlungsführung. Sie beschreibt die „beste Alternative zu einem ausgehandelten Ergebnis“ (Best Alternative to a Negotiated Agreement) und dient als Orientierungsgröße, um Verhandlungsergebnisse realistisch einschätzen zu können. Wer seine BATNA kennt, ist in der Lage, Drucksituationen standzuhalten und keine Vereinbarung zu akzeptieren, die schlechter ist als die vorhandene Alternative.

Die Positionsverhandlung (Distributive Bargaining)

Bei der Positionsverhandlung handelt es sich um eine klassische, gleichzeitig oft als konfrontativ empfundene Verhandlungsmethode. Ihr liegt ein Nullsummenspiel zugrunde: Was die eine Seite gewinnt, verliert die andere. Charakteristisch ist ein zähes Ringen um Forderungen, bei dem häufig mit überhöhten Anfangspositionen, der Erhöhung des Drucks oder taktischem Schweigen gearbeitet wird. Ziel ist nicht, gemeinsame Interessen zu identifizieren oder neue Optionen zu schaffen, sondern die eigene Ausgangsposition möglichst weitgehend durchzusetzen.

Integrative Verhandlung

Anders verhält es sich bei der integrativen Verhandlung, die bewusst auf Kooperation und Wertschöpfung setzt. Hierbei geht es nicht um die bloße Aufteilung einer vorgegebenen Ressource oder eines Gesamtwertes, sondern darum, diesen zu vergrößern. Die Parteien legen offen, welche Interessen und Ziele sie verfolgen, und suchen gemeinsam nach Lösungen, die über die Summe der Einzelinteressen hinausgehen. Vertrauen, Transparenz und die Bereitschaft, Informationen zu teilen, sind hierfür zentrale Voraussetzungen.

In der Praxis zeigt sich dies etwa in Kooperationsverhandlungen zwischen zwei Unternehmen. Anstatt sich ausschließlich an Fragen der Gewinnverteilung oder am Preisniveau abzuarbeiten, prüfen die Parteien beispielsweise, ob durch gemeinsame Logistik, abgestimmte Marketingstrategien oder andere Partnerschaften zusätzliche Vorteile entstehen könnten. Auf diese Weise kann ein Mehrwert entstehen, von dem beide Seiten profitieren können. Integrative Verhandlungen erfordern zwar mehr Zeit, Offenheit und die Bereitschaft, gewohnte Denkmuster zu verlassen, führen oftmals aber zu stabileren Ergebnissen und nachhaltigeren Beziehungen.

Win-Lose vs. Win-Win-Strategien

Ein grundlegendes Unterscheidungsmerkmal in der Verhandlungslehre ist die Frage nach dem angestrebten Ausgang: Win-Lose oder Win-Win. Bei Win-Lose-Strategien verfolgt eine Partei das Ziel, ihre Interessen strikt auf Kosten der Gegenseite durchzusetzen. Solche Ansätze können in asymmetrischen Machtkonstellationen oder in kurzfristigen Transaktionen durchaus erfolgreich sein. Sie bergen jedoch das Risiko, dass langfristige Beziehungen zerstört werden und die „Verlierer“- Seite langfristig erheblichen Widerstand leistet.

Demgegenüber stehen Win-Win-Strategien, die auf kooperative Lösungen setzen. Hier ist das Ziel, Interessen beider Seiten zu berücksichtigen und ein Ergebnis zu finden, das für beide Parteien vorteilhaft ist. Gerade in langfristigen Vertragsbeziehungen, in Tarifverhandlungen oder in internationalen Schiedsverfahren sind Win-Win-Strategien erfolgversprechend, weil sie nachhaltige, tragfähige Lösungen ermöglichen. Ein anschauliches Beispiel sind Tarifverhandlungen: Ein Win-Lose-Ansatz kann hier leicht zu einem Festfahren der Positionen führen, das Verhandlungen blockiert, Streiks provoziert und im schlimmsten Fall die Mitarbeiterbindung dauerhaft schädigt. Ein Win-Win-Ansatz hingegen kombiniert etwa eine moderate Lohnerhöhung mit flexibleren Arbeitszeitmodellen oder zusätzlichen Benefits. Auf diese Weise entsteht eine Lösung, die für beide Seiten spürbare Vorteile bietet.

Erfolgreich verhandeln: Struktur, Kommunikation und Strategie im Einklang

Am Ende zeigt sich: Erfolgreiches Verhandeln ist weniger ein Machtkampf als vielmehr die Kunst, Struktur, Kommunikation und Strategie in Einklang zu bringen. Wer die Mechanismen und Methoden der Verhandlungsführung kennt, kann nicht nur Konflikte vermeiden, sondern nachhaltige Ergebnisse erzielen, die über den reinen Vertragsabschluss hinauswirken.

Weitere Beiträge

Darleen Mokosek hat an der Universität Frankfurt Rechtswissenschaften studiert und befindet sich derzeit in der Examensvorbereitung. Neben ihrem Studium verfasst sie als Freelance Writerin mit dem Schwerpunkt Legal Writing Texte – von Blogbeiträgen bis eBooks.

Bild: Adobe Stock/©Andrii Yalanskyi