Vorschuss 9 RVG

Von Detlef Burhoff

Im letzten Heft hatte ich in zwei Kurz-Checklisten die materiellen Anforderungen für einen Vorschuss vom Auftraggeber (§ 9 RVG) aufgezeigt. Daran will ich heute mit einer Zusammenstellung des „Wie“ einer Vorschussanforderung anknüpfen (s. auch Burhoff, RVGreport 2011, 365 ff.).

Checkliste: Das Vorschussverlangen

Frage 1: Für welche Tätigkeiten kann der Rechtsanwalt einen Vorschuss verlangen?

Der Rechtsanwalt kann den Vorschuss für alle Tätigkeiten verlangen, soweit keine Ausnahmen vorgesehen sind. § 9 RVG gilt auch dann, wenn das RVG keine Gebühren vorsieht, wie in den Fällen des § 34 Abs. 1 RVG (AnwKomm-RVG/N. Schneider, 6. Aufl. 2013, § 9 Rn. 10).

Frage 2: Ist § 9 RVG auch auf Vergütungsvereinbarungen (§ 3a RVG) anwendbar?

Die Frage wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet. Die Zulässigkeit einer Vorschussanforderung wird von AnwKomm-RVG/N. Schneider (a.a.O., § 9 Rn. 99 ff.) bezweifelt, von Gerold/Schmidt/Mayer (RVG, 22. Aufl. 2016, § 9 Rn. 7 und 11 und Burhoff/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl. 2014, Teil A: Vorschuss vom Auftraggeber, § 9 Rn. 2368) hingegen bejaht. Wegen dieses Streits sollte der Rechtsanwalt die Frage ggf. in der Vergütungsvereinbarung (§ 3a RVG) mit regeln.

Frage 3: Ab wann kann ein Vorschuss gefordert werden?

Der Rechtsanwalt kann den Zeitpunkt, wann er einen Vorschuss fordert, grundsätzlich frei bestimmen. Der Rechtsanwalt darf den Vorschuss allerdings nicht zur Unzeit verlangen und bei Nichtzahlung das Mandat dann ggf. kündigen. Das Vorschussverlangen ist aber nicht (mehr) zulässig, wenn der Rechtsanwalt (ausdrücklich oder konkludent) auf die Zahlung eines Vorschusses verzichtet hat (AnwKomm-RVG/N. Schneider, a.a.O., § 9 Rn. 28 ff.; Burhoff/Burhoff, RVG, Teil A. Vorschuss vom Auftraggeber [§ 9], Rn. 2366; zur Beweislast, wenn sich der Mandant darauf beruft, dass die Nichterhebung eines Vorschusses vereinbart worden sei, s. OLG Düsseldorf FamRZ 2012, 746 [Ls.]).

Frage 4: Ab wann ist ein Vorschussverlangen ausgeschlossen?

Mit Fälligkeit der Vergütung des Rechtsanwalts gem. § 8 Abs. 1 RVG kann ein Vorschuss nach § 9 RVG nicht mehr verlangt werden; vielmehr muss dann nach § 10 RVG abgerechnet werden (AG Lichtenberg AGS 2013, 274 = RVGreport 2013, 306).

Frage 5: In welcher Höhe kann der Rechtsanwalt den Vorschuss verlangen?

Nach § 9 RVG kann grundsätzlich ein „angemessener“ Vorschuss verlangt werden. Der Rechtsanwalt ist zudem berechtigt, seinen Vorschuss in Höhe der gesamten voraussichtlich anfallenden Gebühren zu berechnen (BGH NJW 2004, 1047; OLG Bamberg NJW-RR 2011, 935; OLG Düsseldorf FamRZ 2012, 746 [Ls.]; AG Darmstadt AGS 2006, 212 = RVGreport 2007, 60; AG Dieburg AGS 2004, 282; AG Saarlouis AGS 2014, 216).

Frage 6: Ist die Vorschussforderung begrenzt?

Ja. Der Rechtsanwalt kann einen Vorschuss nur insoweit verlangen, wie er bereits beauftragt ist.

Beispiel: Hat er im Strafverfahren z.B. zunächst nur den Auftrag, den Beschuldigten im Ermittlungsverfahren zu vertreten, kann er auch nur einen Vorschuss auf die dafür anfallenden Gebühren geltend machen. Ist der Rechtsanwalt jedoch bereits (bedingt) auch mit der weiteren Vertretung/Verteidigung beauftragt, kann er auch für die folgenden Verfahrensabschnitte einen Vorschuss anfordern (vgl. AG Chemnitz AGS 2005, 431; AG Stuttgart AGS 2008, 79 = RVGreport 2008, 21). Entsprechendes gilt für das Zivilverfahren.

Frage 7: Muss der Rechtsanwalt sich mit Ratenzahlungen zufriedengeben?

Nein, er kann den angemessenen Vorschuss im Ganzen anfordern (AG Dieburg AGS 2004, 282).

Frage 8: Gibt es formelle Anforderungen an das Vorschussverlangen?

Nein. Insbesondere gilt für die Berechnung des Vorschusses nicht § 10 RVG (Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 9 Rn. 24; AnwKomm-RVG/N. Schneider, § 9 Rn. 74 ff.; Burhoff/Burhoff, a.a.O., Teil A: Vorschuss vom Auftraggeber [§ 9], Rn. 2380; unzutreffend a.A. AG München AGS 2006, 588 m. abl. Anm. N. Schneider). Der Rechtsanwalt kann den Vorschuss von seinem Mandanten also formlos anfordern.

Frage 9: Muss der Rechtsanwalt sein Vorschussverlangen begründen?

Nein. Es dürfte sich aber empfehlen, die Forderung zumindest kurz zu erläutern, damit der Mandant überprüfen kann, ob die Forderung angemessen ist (Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 9 Rn. 24; AnwKomm-RVG/N. Schneider, a.a.O., § 9 Rn. 74 ff.).

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Rechtsanwalt und RiOLG a.D. Detlef Burhoff ist Herausgeber, Autor oder Mitautor einer Vielzahl von Fachbüchern aus den Bereichen Strafrecht, Verkehrsrecht, Ordnungswidrigkeitenrecht sowie der Rechtsanwaltsvergütung. Daneben ist er Herausgeber von Fachzeitschriften zu den vorgenannten Themen (StRR und VRR) und unterhält die Internetseiten www.burhoff.de sowie blog.burhoff.de.

Bild: Adobe Stock/©Tierney

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