Macht der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung geltend, so erhöht sich der Streitwert um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht; dies gilt auch bei einer entsprechenden Erledigung durch Vergleich (§ 45 Abs. 3 u. 4 GKG). Die Auswirkungen dieser Regelung werden oft unterschätzt.

§ 45 Abs. 3 GKG ist lediglich auf hilfsweise Aufrechnungserklärungen anzuwenden, nicht auf Primäraufrechnungen. Letztere führen nicht zu einer Wertaddition. 

Die hilfsweise Aufrechnung kann zu einer Wertaddition führen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Die Aufrechnungserklärung erfolgt hilfsweise, d. h., die Klageforderung wird bestritten.
  • Das Gericht entscheidet über die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung.
  • Die Entscheidung des Gerichts ist der Rechtskraft fähig, d.h., es erfolgt lediglich eine Wertaddition, soweit die Klageforderung noch „im Rennen“ ist (§ 322 Abs. 2 ZPO). Allerdings muss die Entscheidung nicht rechtskräftig werden; es reicht die Rechtskraftfähigkeit.

Zunächst prüft das Gericht, ob die Klage begründet ist. Weist das Gericht die Klage ab, prüft es die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nicht mehr; eine Wertaddition scheidet aus.

Kommt das Gericht zum Ergebnis, dass die Klage ganz oder teilweise begründet ist, prüft es die Begründetheit der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung; bei mehreren Gegenforderungen nach der vom Erklärenden zwingend anzugebenden Reihenfolge. Hält das Gericht die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung für begründet, erlischt die Klageforderung in der entsprechenden Höhe, bei einem etwaigen Überschuss der Gegenforderung erstreckt sich die Rechtskraftwirkung nicht auf diesen Überschuss. Ist die Gegenforderung unbegründet, werden ggf. weitere zur Aufrechnung gestellte Gegenforderungen in der vorgegebenen Reihenfolge weiter geprüft, bis die Klageforderung erloschen oder aber keine Gegenforderung mehr benannt ist.

Beispiel:

H verklagt M auf Zahlung von 10.000 Euro. Der Beklagte stellt den Antrag, die Klage abzuweisen. Hilfsweise rechnet er mit zwei Gegenforderungen auf: erste Gegenforderung 7.000 Euro, zweite Gegenforderung 12.000 Euro. Das Gericht urteilt, dass die Klage begründet ist, die erste zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung i.H.v. 7.000 Euro unbegründet, die zweite Gegenforderung i.H.v. 12.000 Euro jedoch begründet und die Klageforderung daher erloschen ist. Wert: 10.000 Euro (Klageforderung) + 7.000 Euro (erste Gegenforderung – der Rechtskraft fähig entschieden) + 10.000 Euro (zweite Gegenforderung – der Rechtskraft fähig entschieden max. bis zum Wert der Höhe der (verbleibenden) Klageforderung) = 27.000 Euro (§§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG, 45 Abs. 3 GKG, 322 Abs. 2 ZPO).

Tipp:

Mandanten verlangen häufig vom Anwalt, mit von ihnen „konstruierten“ Schadensersatzforderungen aufzurechnen, um die Klageforderung zu Fall zu bringen. Weist der Anwalt bzw. die Anwältin den Mandanten auf die Kostenfolge hin, werden die Vorstellungen schnell auf ein realistisches Maß reduziert1. Das spart Arbeit und erhält die Glaubwürdigkeit. Zudem: Wird die Klage abgewiesen, wird sich das Gericht mit den Gegenforderungen nicht mehr befassen; der Wert bleibt auf die Klageforderung beschränkt, obwohl sich die Tätigkeit des Anwalts auch auf die Gegenforderungen erstreckt hat. Die Anwaltsvergütung ist dann aber nicht mehr angemessen, denn die Wertfestsetzung für die Gerichtskosten ist auch vom Anwalt zu beachten (§ 32 Abs. 1 RVG). Eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG scheidet aus2. Vom erhöhten Haftungsrisiko ganz zu Schweigen. Hilfsweise Aufrechnungen sind daher aus den oben genannten Gründen „mit Vorsicht“ zu genießen.

¹ Zu beachten ist hier auch die Hinweispflicht nach § 49b Abs. 5 BRAO.
² BGH v. 25.9.2008 – VII ZB 99/07, NJW 2009, 231 = FamRZ 2009, 43 L = DAR 2009, 175 m. Anm. Jungbauer.

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